Die nachhaltigen Drei: Eine neue Generation von Fußballklubs.



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Drei ausländische Klubs, die ihren eigenen Weg gehen.

Im internationalen Fußballbusiness orientieren sich viele Vereine und Marketingagenturen an den Topklubs Real Madrid, FC Liverpool, Juventus Turin oder FC Bayer München. Sie gelten aufgrund ihres sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgs als zentrale Benchmarks.

Sie sind das Maß aller Dinge und vieles, was bei diesen Klubs eingeführt wird – von einer neuen Spielidee über TikTok-Accounts bis zur festangestellten Ökotrophologin – wird mit großem Interesse verfolgt und alsbald übernommen.

Im Folgenden geht es um drei Klubs, die etwas anders ticken. Für diese Klubs geht es im Fußball um mehr als internationale Titel oder finanzstarke Investoren. Es sind Klubs, die bewusst und engagiert Verantwortung für ihr Umfeld und die Gesellschaft übernehmen wollen. Und dabei ganz eigene Wege gehen.

Der erste vegane Fußballklub der Welt.

Der britische Viertligist Forest Green Rovers wurde 2015 quasi über Nacht weltweit als erster veganer Fußballklub bekannt. Initiiert durch den Klubvorsitzenden Dale Vince, der durch Windkraftanlagen Millionär geworden ist, hatte der Klub Fleisch und andere tierische Produkte aus dem Angebot für die Spieler und die Fans gestrichen. Stattdessen gab es Veggie-Burger oder vegane Fajitas. 2017 erhielt der Fußballklub sogar das internationale „vegan“-Label, mit dem sonst vegane Produkte gekennzeichnet werden.

“We’re bringing together football and environmental consciousness in a way no other football club in the world is doing right now.”

Was zunächst wie ein PR-Coup klang, mit dem der unterklassige Verein Aufmerksamkeit generieren wollte, war nur der erste Schritt zu einem großen Ziel: der nachhaltigste Fußballklub der Welt zu werden.

Auf der Website des Klubs heißt es: “We’re bringing together football and environmental consciousness in a way no other football club in the world is doing right now.” Bereits 2017 beschrieb die FIFA in einem Video über Fußball und Klimaschutz die Forest Green Rovers als den „grünsten Fußballklub der Welt“. 2018 erhielt der Klub für die umfangreichen Klimaschutzaktivitäten (Essen, Spielfeld, Reisen, Energie) von der UN die Auszeichnung „Momentum for Change“. Gleichzeitig erklärt die UN die Forest Green Rovers zum ersten klimaneutralen Fußballklub der Welt.

Dazu passt, dass der Klub aktuell den Bau des grünsten Stadions der Welt plant. Die Entwürfe für das Stadion stammen von dem international renommierten Architekturbüro Zaha Hadid. Das fast vollständig aus Holz gefertigte Stadion mit einer Kapazität von 5.000 Plätzen wird weltweit das Erste seiner Art sein.

Die Entscheidung für den Baustoff „Holz” begründet Dale Vince wie folgt: „The importance of using wood is not only that it’s a naturally occurring material, it has very low carbon content – about as low as it gets for a building material.“

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Der erste Common Goal Klub.

Den meisten Fußballexperten ist der dänische Erstligist FC Nordsjaelland durch seine konsequente und erfolgreiche Jugendarbeit bekannt. Das Team aus Farum, einer kleinen Stadt in der Nähe von Kopenhagen, besitzt einen der jüngsten Kader im europäischen Profifußball: im Schnitt sind die Spieler aktuell 21,6 Jahre alt.

Der FC Nordsjaelland ist aber auch der erste Profiklub, der sich 2018 Common Goal angeschlossen hat, einer Initiative der internationalen Fußball-NGO streetfootballworld. Die Idee: Die Mitglieder von Common Goal spenden ein Prozent ihrer Einnahmen an die Initiative, die damit soziale Fußballprojekte aus dem internationalen streetfootballworld-Netzwerk unterstützt. Zu dem Netzwerk von sozialen Fußballprojekten gehören auch die deutschen Organisationen Kick FairRheinflanke und Champions ohne Grenzen.

“We are a club that would like to do, as we say we do. Whether it is regarding gender equality, developing young people and players or making a difference to others through football.”

Den Einstieg bei Common Goal kommentierte der FC Nordsjaelland-CEO Søren Kristensen mit folgenden Worten: „We are a club that would like to do, as we say we do. Whether it is regarding gender equality, developing young people and players or making a difference to others through football. So we enter Common Goal without any hesitation or reservations. We are convinced, that it is the right thing for us and for football”.

Eine weitere Partnerschaft macht den FC Nordsjaelland besonders, nämlich die mit der Organisation „Right to Dream“, nach der auch das Stadion des dänischen Vereins benannt ist.

Die „Right to Dream“ Group unterhält u.a. eine Jugendfußballakademie in Ghana, in der Kinder und Jugendliche eine fußballerische und schulische Ausbildung erhalten. Bei entsprechendem Talent können die jungen Fußballer über den FC Nordsjaelland erste Erfahrungen im europäischen Profifußball sammeln.

Im Rahmen der Partnerschaft mit „Right to Dream“, wurde ein Programm zur Charakterentwicklung im dänischen Verein eingeführt, welches sowohl im Jugend- als auch Profibereich umgesetzt wird. Dieses, so sagen es die Klubverantwortlichen, schaffe nicht nur ein gemeinsames Wertegefühl, sondern wirke sich auch positiv auf die einzelnen Teammitglieder aus. Sie entwickelten ein gesundes Selbstbewusstsein, aber auch die Bereitschaft, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen.

Søren Kristensen beschreibt das Programm so: „We as a club, and as a movement, have a responsibility to teach character. We have a whole curriculum around it, so that each team has one or two classrooms sessions a week, where we discuss everything from integrity and passion, to honesty and rules.”

Der erste Klub mit Chief Purpose Officer.

Der Oakland Roots Sports Club wurden 2018 gegründet und starteten 2019 in der National Independent Soccer Association. Ab 2021 wird der Klub in der USL League 2 spielen, eine Amateurliga, die als Perspektive den Einstieg in den nordamerikanischen Profifußball über die USL League 1 bietet.

“Oakland Roots Sports Club seeks to harness the magic of Oakland and the power of sport as a force for social good.“

Was den Klub so außergewöhnlich macht, ist das klare Bekenntnis zur Heimatstadt und der sozialen Kraft des Fußballs. Auf der Website des Klubs findet man folgendes Mission-Statement: “Oakland Roots Sports Club seeks to harness the magic of Oakland and the power of sport as a force for social good. Whether on the pitch, in the stands, or within the community, Oakland Roots will represent our one-of-a-kind city with passion, pride, and commitment to all things Oakland.“

Die Verantwortlichen des Klubs betonen, dass ihnen sportlicher und finanzieller Erfolg nicht über alles geht – ihnen sei der „Purpose“ mindestens genauso wichtig. Und sie sehen darin keinen Widerspruch. Für sie gehen die drei Bereiche – Sport, Business und gesellschaftliche Verantwortung – sogar Hand in Hand.

Der Mitgründer Edreece Arghandiwal, der in Oakland geboren wurde und früher als Creative Director für Apple tätig war, sagt dazu: „The misconception is that in order to make money you have to detach yourself from impact and purpose and helping people, and that is fundamentally flawed.” Unterstrichen wird die Haltung durch die Tatsache, dass sich der Klub mit Mike Geddes einen Chief Purpose Officer leistet.

Mike Geddes ist übrigens ein erfahrener Experte im „Sport & Impact“ Umfeld. Er war u.a. Reporter bei der BBC und berichtete weltweit über Themen wie Rassismus, Korruption und Hooliganismus im Sport. Er arbeitete außerdem für streetfootballworld in den USA und gründete das nachhaltige Reiseunternehmen „the third half“.

Ein Beleg dafür, dass der Klub seinen Worten auch Taten folgen lässt, ist das Justice Match. Mit dem Spiel, welches Anfang Oktober 2020 stattfand, verfolgte der Klub u.a. das Ziel, die Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen.

Bei dem Justice Match spielten Fußballspielerinnen des Oakland Roots Sports Club zusammen mit Ex-Profispielerinnen aus Oakland und lokalen Frauenfußballbotschafterinnen. Die durch Sponsoring und Spenden erzielten Einnahmen flossen in den Oakland Roots Justice Fond, mit dem die Ursachen von Diskriminierung in Oakland bekämpft werden sollen.

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OAKLAND, FOREVER | Oakland Roots SC Joins The USL Championship

Eine neue Generation von Fußballklubs.

Die drei Klubs repräsentieren – jeder auf seine Weise – eine neue Generation von Fußballklubs. Für sie funktioniert „höher, schneller, weiter“ alleine nicht mehr. Sie wollen die Gesellschaft auch positiv verändern. Dabei hat jeder Klub seinen eigenen inhaltlichen Schwerpunkt: z.B. Klimaschutz, Persönlichkeitsentwicklung oder Bekämpfung von sozialen Ungleichheiten.

Sie alle eint die Überzeugung, dass sich das Streben nach sportlichem bzw. finanziellem Erfolg und der Wunsch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, vereinen lassen. Vince Dale von den Green Forest Rovers meint dazu: „We never really pursue the business case, but it follows. I’m a firm believer that if you do the right things for the right reasons, then good things will follow.”

Ob das Business Model der drei Klubs langfristig überlebensfähig ist, bleibt abzuwarten. Die Entwicklungen bei den Green Forest Rovers und dem FC Nordsjaelland machen auf jeden Fall Hoffnung.

Vor einigen Monaten ist z.B. Héctor Bellerín, Verteidiger bei Arsenal London und engagierter Umweltschützer, Anteilseigner bei den Green Forest Rovers geworden. Außerdem hat Vince Dale im Rahmen des Sport Positive Summit Anfang Oktober verkündet, dass der Klub die Sponsoringeinnahmen in den letzten zwölf Monaten verdoppeln konnte. Viele der neuen Partner stammen nach Dales Auskunft aus den Bereichen „Umweltprodukte und -dienstleistungen“.

Noch positiver ist die Situation beim FC Nordsjaelland, der zu den Topteams in der dänischen Superliga gehört. In der Abschlusstabelle der letzten Saison belegten sie den 6. Platz. Und das, obwohl Jahr für Jahr Talente wie Emre Mor, der in der Saison 2016/17 für knapp zehn Millionen Euro zu Borussia Dortmund wechselte, den Verein verlassen – was zum einen sportlich eine große Herausforderung ist, zum anderen den Klub natürlich finanziell gut dastehen lässt.

Wie sich der Oakland Roots Sports Club in den nächsten Jahren entwickeln, bleibt abzuwarten. Die Voraussetzungen sind allerdings gut. Nachdem das NFL-Team Oakland Raiders nach Las Vegas gezogen ist und die Golden State Warriors ab der neuen Saison in San Francisco spielen, ist eine Lücke entstanden, die der Oakland Roots Sports Club für sich nutzen wollen.

Die nachhaltigen Drei finden Beachtung.

Mit dem Ansatz Sport, Business und gesellschaftliche Verantwortung zu verbinden, werden die drei Vereine finanziell und sportlich schwerlich mit den internationalen Topklubs konkurrieren können. Und auch zukünftig werden viele Klubvertreter eher den Topklubs nacheifern wollen.

Aber die Green Forest Rovers, der FC Nordsjaelland und der Oakland Roots Sports Club haben eine wichtige Diskussion im Fußballbusiness angestoßen und bekommen immer mehr Beachtung von Fußballfunktionären aus der ganzen Welt.

Inzwischen haben mehrere Vertreter aus deutschen Klubs (wie z.B. SV Werder Bremen) den FC Nordsjaelland besucht und sich vor Ort informiert. Und Nailsworth und Oakland sind sicher auch immer eine Reise wert.